Sonntag, 29. März 2015

Malte Lehming beim Tageslügel: Der Iran baut "weiter an der Bombe"

Dieses Mal darf also Malte Lehming die Rolle des Lügners übernehmen, der die Realität tageslügelüblich  auf den Kopf stellt, was durch einen Mangel an Kenntnissen sicherlich erleichtert wird. In seinem Artikel "Kein Abkommen besser als ein schlechtes - wirklich?" schreibt er folgerichtig schon im Teaser:
Ohne ein Abkommen könnte der Iran ungehindert weiter an der Bombe bauen. Das würde ihn weitaus schneller in den Besitz einer Atomwaffe bringen als ein Abkommen mit Mängeln.
Nun, wir dürfen gespannt sein, wie er das "weiter an der Bombe bauen" begründet, auf welche Quellen er sich stützt und wie er erklärt, daß bisher keinerlei diesbezügliche Unterstellung in den Dokumenten der IAEA zu finden ist.

Er beginnt mit einer Kanonade von Vorwürfen, daß einem schwindelig wird:
Der Iran mit seinem Mullahregime ist eine expansiv ausgerichtete Diktatur. Dessen Repräsentanten drohen dem Staat Israel die Vernichtung an. Sie foltern und ermorden Andersdenkende. Sie unterstützen Terrororganisationen – von der Hamas bis zur Hisbollah, von den Houthi-Rebellen im Jemen bis zu schiitischen Widerstandsgruppen in Bahrain und Katar. Teheran verfolgt skrupellos hegemoniale Interessen – und arbeitet seit vielen Jahren an einem Atomprogramm. Da müssen alle Alarmsignale schrillen.
 Dazu ist Folgendes anzumerken:
  1. Persien und der Iran haben zweieinhalb Jahrhunderte kein Land überfallen. Das Land ist offenbar so perfide, sich permanent und in "hegemonialer Absicht" als Opfer zur Verfügung zu stellen. Die gingen im 1. Weltkrieg sogar so weit, sich von den Briten zu 40 Prozent aushungern zu lassen: acht bis zehn Millionen Perser starben an vorwiegend britischen Wohltaten.
  2. Die Vernichtungslüge ist hier schon Thema gewesen. Er hat es schlicht und einfach nicht gesagt -- nicht der Ahmadinejad, nicht der Khamenei. Als Leseprobe seien Lügen-Lehming MEMRI und Cole empfohlen. Und wenn er schon einer zionistischen Geheimdienstgründung oder einem Farsi-Sprechenden nicht glauben kann, dann vielleicht dem hier: Der Guardian.
  3. Die Einstufung der Hamas, einer Gründung Israels unter dem damaligen Agrarminister Ariel Sharon (ausführlich dargestellt in Robert Dreyfuss: "Devil's Game. How the United States Helped Unleash Fundamentalist Islam", pp. 190 ff., oder hier: Klick!), wurde vom Europä-ischen Gerichtshof als unrechtmäßig abgeschmettert. Da sich die Vertreter europäischer Werte nicht um derlei Urteile scheren, sondern weiterhin völkerrechtswidrig verfahren, scheint Lehming anzunehmen, man läßt es ihm durchgehen. Läßt man aber nicht. Malte, mal herhören: Die Hamas ist keine Terrororganisation.
  4. Die Hezbollah wurde infolge der israelischen Libanon-Aggression 1982 und des Massakers in Sabra und Shatila, an dem Israel maßgeblich beteiligt war (Henry Cattan: "The Palestine Question", pp. 169 ff.), gegründet. Ze'ev Maoz, ehemaliger Offiziersausbilder am IDF-College schreibt dazu:

    Die Ironie war, daß der Hauptzweck der Sicherheitszone -- die Verhinderung des Beschusses israelischer Ziele -- durch die Aktionen der IDF selbst unerfüllbar gemacht wurde. Die Hizballah entwickelte einen einfachen Entscheidungsmodus [...]: den Beschuß von Zielen innerhalb Israels als Antwort auf die Tötung libanesischer Zivilisten durch die IDF. In allen anderen Fällen waren die IDF-Truppen in der Sicherheitszone ebenso wie die SLA-Milizionäre die Hauptziele. Diese Strategie hätte dem IDF-Geheimdienst nahelegen sollen, daß das Hauptziel der Organisation war, die IDF-Okkupation des im Libanon zu beenden. Trotz ihrer extremistischen Rhetorik von der Vernichtung Israels war das Ziel der Hizballah die Befreiung des Libanon. ("Defending the Holy Land. A Critical Analysis of Israel's Security & Foreign Policy", p. 213, meine Übersetzung.)

  5. Die Unterstützung der Houthis ist bisher von niemandem belegt worden, auch nicht von Lehming. Der ehemalige Militärgeheimdienstler Pat Lang äußert sich dazu auf seinem Blog negativ: The Zaidi Houthis are not "Iran's Puppets".

    There does not exist a natural affinity between the Yemeni Zeidis and the 12er Shia of southern Iraq and Iran. The zaidiya follows a system of religious law (sharia) that more closely resembles that of the Hanafi Sunni "school" of law than that of the Shia of Iran or Iraq. The Zaidi scholars profess no allegiance to the 12er Shia scholarship of the Iranian teachers. In theology the Zaidis follow the methodology in analysis of the mu'tazila , the "rationalist" school of theology exterminated in the rest of Islam (including Iran) 1200 years ago. This system of scloarship survives only among the Zaydis. In short there is little religious connection with Iran. For a Zaydi to "convert" to 12er Shiism is as big and alienating a step as "conversion" to Sunnism. Such a change would normally lead to family, clan and tribal ostracism.

  6. Auch wenn Lehming die Lüge der iranischen Expansion mit der Unterstellung der "hegemonialen" Bestrebungen fortführt, bringt er nichts als heiße Luft. Zweieinhalb Jahrhunderte, Malte, zweieinhalb Jahrhunderte. Und wenn du lügst, daß sich die Balken biegen.
Großzügig, wie Lehming nun einmal ist, stellt er fest, daß es "für eine Intervention" zu spät sei. Er fragt sich nicht einmal, ob sie völkerrechtlich erlaubt ist, ist doch der Iran m. W. nicht einmal als Bedrohung für den Weltfrieden bezeichnet worden. Kriegstreiber halten sich mit derlei Fragen nicht auf, wenn es gilt, gegen andere zu hetzen. Er befürwortet den Cyberwar gegen den Iran mit derselben Chuzpe, wie er sich für Sanktionen ausspricht und das einzige Atomwaffenprogramm der Region verdrängt: das Israels.

Zum Ende des Artikels kommt der Rückgriff auf das Teaser-Thema: der Iran könne weiter an der Bombe bauen. Dann fordert Lügen-Lehming nichts anderes als den Verzicht des Iran auf das, was ihm der Beitritt zum NPT garantiert: Die komplette Nutzung des Atomprogramms für zivile Zwecke.

Wieder ein Hetzartikel, wieder eine vollständige, dafür aber beleglose Verdrehung der Tatsachen, wieder Bauchgefühl statt Argumenten, Fakten und Beweisen. Der 300-Pfund-Gorilla bleibt unerwähnt. Wenn sich in der Region überhaupt ein nukleares Wettrüsten entwickeln könnte, dann nur wegen eines Umstands: wegen des israelischen Atomwaffenprogramms, das zusammen-geraubt und -gestohlen wurde und von niemandem kontrolliert wird.