Donnerstag, 26. März 2015

Und wieder lügt der Tagesspiegel

Jan Dirk Herbermann schreibt in seinem Artikel "Atomverhandlungen mit Iran in heißer Phase" gar Schröckliches über das iranische Atomprogramm:
Für Experten steht fest, dass Teheran Atomwaffen will

Dass die Iraner nach Atomwaffen streben, steht für viele Experten fest. Yukiya Amano, Generaldirektor der Internationalen Atomenergieagentur IAEO, warnt in seinen Kontrollberichten beharrlich vor der "möglichen militärischen Dimension" des iranischen Atomprogramms. Der Iran verstecke nukleares Material und verschleiere nukleare Aktivitäten vor den IAEO-Inspekteuren. Teheran bestreitet das und pocht auf sein Recht als Mitglied des Atomwaffensperrvertrages: Danach darf jeder Vertragsstaat die Kernenergie friedlich nutzen. Gefeilscht wird in Lausanne über den Umfang des iranischen Atomprogramms.
Dazu ist Folgendes zu sagen:
  1. Amano ist kein Experte, sondern ein politischer Beamter an der Spitze der IAEA. Der britische Guardian sah sich am 30.11.2010 genötigt, unter der Überschrift "Nuclear Wikileaks: Cables show cosy US relationship with IAEA chief" mit Bezug auf ein Kabel des damaligen Verantwortlichen Pyatt zu schreiben,

    The IAEA transition that will come as DG [director general] ElBaradei's term ends November 30 provides a once-a-decade opportunity to overcome bureaucratic inertia, modernize Agency operations, and position the new director general for strong leadership from the DG's office.

    Und in der Tat führte der erste Besuch Amano ins Weiße Haus, wo er sich als mit der US-Regierung im Einklang stehend bezeichnete. Pyatt ist der Lump, der beim Putsch der Nazis in Moskau einer der Strippenzieher war.
  2. Die berüchtigten "möglichen militärischen Dimensionen" gelten für jedes Land, in dem die IAEA aktiv ist, werden aber nur im Falle des Iran in einen Bericht aufgenommen. Auch Deutschland hat diese "möglichen militärischen Dimensionen", zumal unser Land über EADS mit an der französischen M-51-Atomwaffe baut.
  3. Die IAEA hat niemals behauptet, daß der Iran nukleares Material verstecke. Stattdessen finden wir im letzten Bericht der IAEA dazu erneut die Einlassung, daß kein Material verschwunden sei.
  4. Die IAEA hat niemals behauptet, daß der Iran nukleare Aktivitäten verschleiere. Was bemängelt wurde, war der nicht nach Gutsherrenart vorzunehmende Zugriff auf Parchin. Parchin aber ist keine nukleartechnische Anlage und daher für die IAEA ultra vires, es liegt also außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs. Dennoch gewährten die Iraner der Kontrollbehörde zweimal Zugang zu dem Komplex, und zwar auf Gebäude, die sich die IAEA vorher aussuchen konnte. Man fand -- nichts. Dementsprechend sah sich die IAEA 2007 dazu gezwungen zu bestätigen, daß die Organisation über keinerlei Informationen zu einem iranischen Atomwaffenprogramm verfüge: Klick! Diese Information ist der Öffentlichkeit mittlerweile nicht mehr zugänglich. Der Text lautete am 9.2.2014:

    Recent Media Report on Iran

    17 September 2009 |

    With respect to a recent media report, the IAEA reiterates that it has no concrete proof that there is or has been a nuclear weapon programme in Iran.

    At the Board of Governors´ meeting on 9 September 2009, Director General Mohamed ElBaradei warned that continuing allegations that the IAEA was withholding information on Iran are politically motivated and totally baseless.

    The Agency receives information from a variety of sources that may have relevance to the implementation of safeguards. All such information is critically assessed by a team of experts working collectively in accordance with the Agency´s practices.

    The IAEA reiterates that all relevant information and assessments that have gone through the above process have already been provided to the IAEA Board of Governors in reports of the Director General.


    Herbermann unternimmt nicht einmal ansatzweise einen Versuch, seine abstruse Behauptung mit irgendeiner Quelle zu belegen. Er unterläßt im Prinzip jeden Versuch, überhaupt Substanz in seinen Erguß zu bringen, und schreibt stattdessen aus dem Bauch heraus. Wie an anderer Stelle bereits erwähnt: Auch ich stütze mich nur auf die offiziell zugänglichen Quellen direkt bei der IAEA. Ein Herbermann mit sicherem Tagesspiegel-Honorar scheint das nicht nötig zu haben. Er ist Journaillenmitglied, nicht Journalist mit dem Anspruch, der Wahrheit nachzugehen.
  5. In Lausanne wird auch nicht gefeilscht. Dort wird der Versuch unternommen, die Rechte der Iraner aus Artikel IV des NPT zu beschneiden. Das heißt nichts anderes, als daß der Inhalt eines völkerrechtlich gültigen Vertrags für die Iraner ganz oder in Teilen nicht zu gelten hat -- weil die USA es so wollen, weil Israel es von den USA verlangt. Na, schönen Dank auch.
Herbermann schreibt desweiteren:
Strittig bleiben etwa Qualität und Quantität der Zentrifugen zur Urananreicherung und auch die Zukunft eines Schwerwasserreaktors. Beim Betrieb von Schwerwasser-reaktoren fällt Plutonium an. Plutonium wie auch hoch angereichertes Uran dienen zum Bau von Atomwaffen.
Hier ist gar nichts strittig. Die Ausbaustufen der iranischen Zentrifugen sind bis ins letzte Detail bei der IAEA angezeigt worden. Sie werden im oben genannten Bericht unter Punkt 26 auch erwähnt. Der Schwerwasserreaktor in Arak unterliegt der Kontrolle der Organisation. Es sind keine Pu-Breakout-Boxen vorhanden. Das Design wurde von der IAEA als korrekt bestätigt. Das Wort "Plutonium" taucht im letzten Bericht nicht auf. Der Bericht der IAEA weist nach, daß in Arak keine weiteren Entwicklungsarbeiten vorgenommen worden sind, der Iran also seine sich freiwillig auferlegten Beschränkungen einhält (Annex I, 1.vi).

Schön auch der nette Bezug zur Möglichkeit, Plutonium als Atomwaffenmaterial zu verwenden. So herbermannhirnlos wie inhaltsleer bietet sich dem Hetzer von Welt an dieser Stelle natürlich eine brillante Möglichkeit, die Realität auf den Kopf zu stellen -- durch Andeutung. Aber vielleicht liegt hier auch nur eine Verwechslung vor und Herbermann meint den Reaktor in Dimona (Israel), der in der Tat der Atomwaffenproduktion dient und von der IAEA bisher nicht behelligt wurde -- mangels Beitritts des Apartheidstaats zum NPT. Dann danke ich dem Herrn für seine offenen Worte.

Apropos Israel: Nachdem das kleine, verletzliche -- und die einzige sowieso -- die jüngsten Verhandlungen lt. US-Regierung bespitzelte und die Informationen an die Ziocons um McCain weitergab, machte sich auch eine Delegation nach Frankreich auf, um den Druck für ein Scheitern der Verhandlungen zu erhöhen. Offensichtlich erscheinen die Amerikaner den Herren in Tel Aviv als unsichere Kantonisten. Netanyahu widerspricht man wohl eher nicht ungestraft.